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Erste Abrechnungserfahrungen mit meiner Videosprechstunde...

Jetzt studiere ich schon seit ein paar Wochen meine Abrechnung vom 2. Quartal 2020. Diese ist eigentlich eher ein kleines Buch (ca. 80 Seiten), als eine gut verständliche Abhandlung. Auch Ziffern für die Videosprechstunde (VSS) hatte ich ja noch nie vorher abgerechnet. Was mir als erstes auffiel war, dass alle Beträge für die Ziffern, die ich am selben Tag mit der VSS abgerechnet habe, um 20 Prozent gekürzt wurden. Um es kurz zu machen, also zum Beispiel die Ziffern für unsere sogenannte "Flatrate" (Ordinationsziffer 03000: diese beläuft sich ca. auf 40€. Es ist der Betrag, den ich pro Patient und pro Quartal/3Monate erstattet bekomme) und auch alle weiteren Ziffern an diesem Tag. Ich dachte mir, das kann ja nicht sein. Ja, es war in den aktuellen Quartalen so, dass man von den Ziffern, die man neben der VSS abrechnete, 20 Prozent weniger erstattet bekommt. Aber nur dann, wenn es im laufenden Quartal zu keinem weiteren persönlichen Arzt-/Patientenkontakt in der Praxis gekommen ist. Die meisten meiner Patienten habe ich aber in dem besagten Quartal zumindest noch einmal persönlich in der Praxis behandelt. Nach Rücksprache mit unserer Abrechnungsstelle, der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bestätigte man mir, dass es sich hierbei um einen Softwarefehler im Abrechnungsprogramm handelte. Es war also bekannt, dass es dort einen Abrechnungsfehler zu unserem Nachteil gab. Als ich dann nachfragte, ob dieser denn noch korrigiert werden würde, antwortete man mir lediglich, dass ich Widerspruch gegen den Honorarbescheid einlegen müsse. Auch meine Nachfrage, ob denn die anderen Kollegen darüber informiert werden würden, wurde mir negativ beantwortet...

Jetzt nochmal alles ein bisschen genauer zum Verständnis. Es werden Beträge unrechtmäßig im Zusammenhang mit der VSS gekürzt und sie werden trotz Softwarefehler nicht automatisch von der KV korrigiert. Und wer es nicht bemerkt hat, hat eben Pech gehabt und den finanziellen Nachteil. Um die Kollegen doch noch rechtzeitig zu informieren, schrieb ich eine e-mail an den Hausärzteverband, aber ich habe leider bis heute noch keine Info darüber, ob die Kollegen darüber informiert wurden. Außer, dass mir mitgeteilt wurde, dass man sich mit den Abrechnungskautelen der VSS auch noch nicht so auskenne.

Und dann kam ich zu der Abrechnung der Ziffer, mit der uns die VSS vergütet wird. Es ist die Ziffer 01450. Da ich im 2. Quartal 2020 sehr viele VSS durchgeführt habe zum Schutz meiner Patienten und meines Praxisteams, war ich sehr neugierig. Die Anzahl der durchgeführten Videosprechstunden beliefen sich auf 558! Ich hatte ja auch in dem besagten Quartal von morgens bis abends jeden Tag Notfallsprechstunde, notwendige Routinen, Telefonsprechstunde und eben diese besagten Videosprechstunden zum Teil auch noch am Wochenende durchgeführt. Meine wöchentliche Arbeitszeit belief sich auf ungefähr 60 Stunden, in denen ich lediglich mit der Patientenversorgung beschäftigt war. Ganz zu schweigen von dem Studium der sich ständig neuen Abrechnungsbedingungen bezüglich der Coronatestungen und und und... Ich las sehr oft noch bis spät in die Nacht, um auch die neuesten Informationen bezüglich RKI-Kriterien, Ausbreitungswege des Coronavirus und neuste wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen. Und die aktuellen Podcasts von den Virologen und anderen Wissenschaftlern wollten ja auch noch angehört werden. Der Tag hatte für mich einfach zu wenig Stunden.

Kommen wir jetzt aber zur Vergütung meiner VSS. Jeder, der schon einmal eine VSS als Arzt durchgeführt hat, weiß wie anstrengend es ist, digital eine Sprechstunde durchzuführen. Leider sind ja nicht alle so digital versiert wie unsere jüngeren Patient*innen. Es fängt ja schon damit an, dass der von mir zugemailte Link zur VSS in die Google Suchmaske und nicht in das Adressfeld des GoogleChrom- oder des Firefox-Browsers eingegeben wurde. Das konnte natürlich aus datenschutzrechtlichen Anforderungen meines Providers der zertifizierten Software nicht funktionieren. Also, alles in allem dauerte ein Patientenkontakt mindesten zwanzig Minuten, also maximal drei Patienten pro Stunde. Als Arzt muss man auch sehr viel konzentrierter sein, denn eine virtuelle Behandlung erfordert sehr viel mehr Aufmerksamkeit, da die non-verbale Kommunikation, die Beurteilung des Gangbildes des Patienten, und natürlich auch die körperlich Untersuchung durch meine Hände fehlte. Es ist wirklich sehr viel möglich im Rahmen einer VSS, aber es ist schon eine echte Herausforderung auch für mich als Ärztin, die ja schon viele Jahre in der Patientenbehandlung tätig ist. Und trotzdem bin ich sehr dankbar, dass es diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit meinen Patienten gibt.

Also jetzt endlich zur Vergütung. Ich suchte die entsprechende Seite in meiner Quartalsabrechnung. Ich wusste ja schon vorher, dass die VSS nicht besonders gut bezahlt wird. Sie wird mit 4,39€! vergütet. Man sagte uns, dass in diesen Quartalen jetzt in der Coronazeit allerdings die Quotierung aufgehoben wurde. Diese besagte, dass man nicht mehr als 20% seiner Patienten im Rahmen der VSS behandeln durfte. Also behandeln schon, aber dann gratis. Das sollte es in diesen Quartalen also nicht geben, wir konnten sie unbegrenzt durchführen. Also las ich weiter. Ich habe für meine 558 Videosprechstunden 208,42€ erstattet bekommen!!!! Das musste ich erstmal verdauen. Ich dachte meinen Augen nicht zu trauen. Ich hatte also 37 Cent für eine Patientenbehandlung im Rahmen der VSS "verdient". Das dann mal 3 Patienten pro Stunde, da konnte ich mir meinen Stundenlohn ausrechnen, gut 1€... Der Vollständigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass in den ersten 4. Quartalen, in denen man die Durchführung einer VSS initiiert, noch eine Anschubfinanzierung von 507,70€ pro Quartal zusätzlich vergütet wird. In meinem Fall also 91 Cent pro Patient. Da sah dann mein Stundenlohn mit ca. 4€ doch schon sehr viel besser aus. Aber dieses "Bonbon" fällt ja nach den vier ersten Quartalen auch wieder weg.

Was hatte ich nicht bedacht, beziehungsweise was wurde uns gegenüber nicht kommuniziert? Es wurde nicht erwähnt, dass zwar der Anteil der Patienten der VSS nicht mehr auf 20 Prozent der Gesamtpatienten beschränkt wird, aber dass es dennoch einen VSS-Budgetdeckel von 1899 Punkten gibt. Ja wir werden nach Punkten bezahlt. Sie haben richtig gehört. Und diese Punkte sind eben diese 208,42€ wert. Das heißt egal wie viele VSS ich durchführe, es bleibt immer bei diesem Erstattungsbetrag... Wie wenig Patienten muss ein Arzt pro Quartal bitte in seiner Behandlung haben, damit sich ein Überschreiten von 20% der behandelten Patienten in der VSS überhaupt betriebswirtschaftlich rechnet? Vielleicht 50 Patienten? Wie realistisch erscheint diese Kalkulation vonseiten unserer KV mit den Krankenkassen? Und damit wir nicht zu überschwänglich begeistert ob dieser Abrechnung sind, müssen wir ja die Nutzung der Software unseres Providers auch noch monatlich bezahlen. Lediglich in den Monaten der Coronakrise wird uns die Nutzung kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Was soll ich Ihnen noch dazu sagen? Eigentlich spricht das ja alles für sich. Aber nein, einen habe ich noch. Meine Gesprächsziffern habe ich lediglich zu 59,02% erstattet bekommen. Das zu dem Thema, die sprechende Medizin soll aufgewertet werden. Denn auch diese Beträge sind gedeckelt. Das heißt das gesprochene Wort in meiner Patientenbehandlung wird nur zu 59% als abzurechnende Leistung erstattet oder besser gesagt wertgeschätzt? Natürlich muss ich auch betriebswirtschaftlich denken, denn ich habe auch laufende Kosten und Mitarbeiter, die bezahlt werden möchten. Ich kann meinen unglaublich hoch engagierten Mitarbeiterinnen auch nicht sagen, dass sie leider nur einen anteiligen Betrag an Gehalt bekommen, weil meine Leistungen abgestaffelt vergütet werden. Unsere jährliche Erhöhung an ausgezahltem Punktwert liegt aktuell in diesem Jahr 2020 bei 1,52%. Das liegt deutlich unter dem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes, also der Inflationsrate. Aber eigentlich interessiert das ja auch offensichtlich niemanden.

So, nun habe ich Ihnen wieder ein bisschen etwas aus meinem täglichen Abrechnungsalltag näher gebracht. Wie mein Lebenspartner immer so schön sagt, eigentlich seid Ihr scheinselbstständig, denn wir haben ja keinen Einfluss darauf, dass mehr arbeiten auch irgendwie mehr Einkommen bedeutet. Es wird uns so gut wie alles vorgeschrieben, was und wieviel wir abrechnen, was wir unseren Patienten verschreiben dürfen etc. . Lohnt es sich wirklich nicht mehr so viel zu arbeiten und für seine Patienten da zu sein? Ja, da geht wieder mein Berufsethos und meine Helfermentalität mit mir durch. Weil es unsere Patienten nicht verdient haben, unter diesem in so vieler Hinsicht desolaten Gesundheitssystem leiden zu müssen. Ich werde in naher Zukunft eine Selbstanzeige wegen Scheinselbstständigkeit tätigen. Ein bisschen Selbstironie sei hier gestattet.

In diesem Sinne werde ich Ihnen in meinen nächsten Blogs noch viel weitere interessante Interna aus meinem täglichen Praxiswahnsinn aufzeigen. Und mir scheint, die Kuriositäten nehmen mit jeder Woche zu. Ich hätte noch so viel zu sagen, aber leider fehlt mir manchmal die Zeit, Ihnen zeitnah darüber zu berichten. Danke, dass Sie mir bis hierher gefolgt sind. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Restwochenende und bleiben Sie schön gesund!

 

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